Aufgrund der Omnipräsenz von Smartphones und des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 24.7.2015 (Az.: 1 BvR 2501/13), wonach das Anfertigen von Videoaufnahmen eines Polizeieinsatzes keine nach §§ 22 Satz 1, 33 Abs. 1 KunstUrhG strafbaren Verletzung des Rechts am eigenen Bild ist, stellt sich schon seit längerem die Frage, ob Bürger Polizisten bei Einsätzen filmen dürfen oder sich dadurch gem. § 201 StGB (Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes) strafbar machen. Kernfrage ist, wann das gesprochene Wort bei einem in der Öffentlichkeit stattfindenden Polizeieinsatz nichtöffentlich ist. Dies ist höchstrichterlich bislang ungeklärt. Amts-, Land- und Oberlandesgerichte beurteilen dies unterschiedlich. Das wiederum führt zu Rechtsunsicherheit bei den Betroffenen und den Polizeibeamten. In einem Beschluss des Landgerichts Hanau (Beschl. v. 20.04.2023, Az.: 1 Qs 23/22) bewertete dieses eine nachfolgend geschilderte Sachverhaltskonstellation als nicht strafbar. Eine andere Kammer desselben Gerichts (Urt. v. 29.09.2023, Az.: 5 KLs – 3350 Js 16251/22) wich aber von der dortigen Argumentation ab und verurteilte den Filmenden. Die Begründung des (soweit ersichtlich: nicht veröffentlichten) Urteils bietet wenig Anlass zur Kritik.
Der Beschwerdeführer wehrt sich gegen die Anordnung der richterlichen Bestätigung der Beschlagnahme seines Mobiltelefons durch das Amtsgericht Hanau. Die Beschlagnahme erfolgte im Zusammenhang mit einer Polizeikontrolle. Bei dieser filmte der Beschwerdeführer den Polizisten mit dem anschließend beschlagnahmten Mobiltelefon. Die Polizei hatte das Fahrzeug kontrolliert, da der Fahrer den entgegenkommenden Polizeiwagen ohne ersichtlichen Grund anhupte. Während der Kontrolle störte der Beschwerdeführer die Maßnahme. Einer der Polizeibeamten startete deswegen seine Bodycam. Der Beschwerdeführer filmte sodann die Polizieibeamten mit seinem Mobiltelefon. Die Beamten forderten ihn auf das Filmen zu unterlassen, andernfalls würde das Mobiltelefon beschlagnahmt. Der Beschwerdeführer filmte weiter, insbesondere die Anordnungen und Äußerungen des Polizeibeamten. Nach einer Kontaktaufnahme mit dem Bereitschaftsstaatsanwalt ordnete dieser die Beschlagnahme des Mobiltelefons an, was das Amtsgerichts Hanau nachträglich bestätigte.
Das Amtsgericht Hanau begründet die Beschlagnahme gem. §§ 94, 98 Abs. 2 S. 1 StPO damit, dass ein Anfangsverdacht dafür bestehe, dass der Beschwerdeführer durch das Filmen mit seinem Mobiltelefon das nichtöffentlich gesprochene Wort der Polizeibeamten aufgenommen habe (§ 201 Abs. 1 Nr. 1 StGB).
Dieser Argumentation tritt die Beschwerdekammer, d.h. das übergeordnete Landgericht Hanau, entgegen. Sie argumentiert, dass die Voraussetzungen für die Beschlagnahme nicht gegeben seien. Es fehle an einem Anfangsverdacht für eine Straftat des Beschwerdeführers nach § 201 Abs. 1 Nr. 1 StGB. Die Aufnahmen des Beschwerdeführers seien als öffentlich zu bewerten, insbesondere da der Polizist selbst eine Body-Cam eingeschaltet und damit das Geschehen dokumentiert habe. Die Kammer hebt hervor, dass der Schutz des § 201 StGB auf die Wahrung der Unbefangenheit des gesprochenen Wortes abziele und in diesem Fall, der Kommunikation im hoheitlichen Kontext, deswegen nicht mehr anwendbar sei.
Eine andere Kammer des Landgerichts sah dies in dem Strafurteil in der selben Sache anders. Der Beschuldigte habe sich gem. § 201 StGB strafbar gemacht, indem er die Polizisten bei ihrer Amtshandlung filmte. Die durch § 201 StGB geschützte Unbefangenheit der Kommunikation sei nicht allein davon abhängig, ob der Sprechende, in diesem Fall der Polizeibeamte, sich in der Wahl seiner Worte „frei“ fühlt. Vielmehr schütze die Norm auch das Recht des Sprechenden, selbst zu bestimmen, wer ihn aufnimmt und ob seine aufgezeichnete Stimme vor anderen wiedergegeben wird. Der Schutz ziele darauf ab, den Sprechenden vor ungewollter Verwendung seiner Worte in einem anderen Kontext zu schützen. Die Bodycam-Aufnahmen können nur in einem engen, gesetzlich definierten Rahmen gezeigt werden. Demgegenüber hat der Polizeibeamte nicht in der Hand, ob und wem gegenüber der Beschuldigte seine mit dem Mobiltelefon gefertigten Aufzeichnung hervorholt und verwendet.
Das Urteil wurde rechtskräftig, sodass eine Klärung der Rechtsfrage in höherer Instanz nicht mehr erfolgen kann. Die Strafbarkeit gem. § 201 StGB durch das Filmen von Polizeieinsätzen bleibt weiterhin umstritten. Der Strafbarkeitsbewertung zugrunde liegt ein intrikates Spannungsverhältnis zwischen Bürgern, die, auch aufgrund von sozialen Medien, gewohnt sind, alles aufzuzeichnen und mit der Öffentlichkeit zu kommunizieren, und dem Interesse der Polizei, ihre Arbeit ungestört auszuüben und dabei nicht zum Gegenstand öffentlicher Berichterstattung zu werden. Dies gilt umso mehr, als mittlerweile viele Fälle bekannt geworden sind, in denen solche Aufnahmen lediglich ausschnittsweise und ohne Kontext veröffentlicht wurden. Dies stellt auch ein Problem für das Ansehen der Polizei insgesamt dar. Wünschenswert wäre ein gesetzgeberisches Tätigwerden, um die Rechtsunsicherheit zu beseitigen. Ein entsprechender Vorschlag müsste die skizzierten konfligierenden Interessen freilich miteinander austarieren.