Keine rechtsstaatswidrige Tatprovokation durch überholende Polizeibeamte

Die aktuellen Entscheidungen des AG Frankfurt am Main (Urteil v 18.10.2021 – 975 Ds 3230 Js 217464/21, NZV 2022, 233) und des LG Flensburg (Beschluss v. 27.05.2021 – V Qs 17/21, BeckRS 2021, 13958) sollten zukünftige Polizeianwärterinnen und Polizeianwärter schon aufgrund des hohen Praxisbezuges kennen.

Vor allem in der Entscheidung des Amtsgerichts Frankfurt ging es schwerpunktmäßig um die Frage, ob das bloße Überholen eines „Einzelrasers“ durch eine Polizeistreife mit dem Ziel, das Fahrzeug zum Anhalten zwecks einer Kontrolle zu bringen, eine rechtsstaatswidrige Tatprovokation darstellt. Der Beschuldigte sah sich dem Vorwurf eines illegalen Kraftfahrzeugrennens (§ 315 d Abs. 1 Nr. 3 StGB) ausgesetzt und vertrat hierbei die Ansicht, er sei zu der Tat durch die Polizeibeamten provoziert worden.

Konkret wollte eine Zivilstreife den Angeklagten einer polizeilichen Kontrolle unterziehen. Der hierfür eingeleitete Überholvorgang wurde von dem Angeklagten jedoch falsch aufgefasst. Er ging vielmehr von einem mutmaßlichen Rennkonkurrenten aus und beschleunigte entsprechend, um eine möglichst hohe Geschwindigkeit zu erreichen. Die Zivilstreife wollte den Angeklagten durch den Überholvorgang nicht dazu verleiten, seinen Wagen zu beschleunigen.

Das Gericht lehnte eine rechtsstaatswidrigen Tatprovokation im Ergebnis ab. Dementsprechend lag auch kein Verfahrenshindernis vor. Eine Tatprovokation ist danach unzulässig, wenn „dem Staat zurechenbare Akteure emotionalen oder sonstigen Druck ausüben, die Initiative ergreifen, ein Angebot zur Tatbegehung trotz Ablehnung erneuern oder insistieren“ (hierzu auch Nowrousian, NZV 2022, 233, 235).

Unter Berücksichtigung dieser Voraussetzungen lehnte das Amtsgericht Frankfurt am Main eine rechtsstaatswidrige Tatprovokation ab, da es den handelnden Polizeibeamten lediglich darauf ankam, den Angeklagten anzuhalten. Das Gericht betont sogar, dass „selbst wenn die Polizeibeamten mit dem Vorsatz an dem Angeklagten vorbeigefahren wären, diesen zu einer Beschleunigung auf die höchstmögliche Geschwindigkeit zu provozieren, so hätte der Angeklagte sich durch dieses – objektiv neutrale Verhalten der Polizeibehörde des Überholens – nicht provozieren lassen dürfen.“ Immerhin könne es für den Angeklagten nicht anstiftend zu einem Kraftfahrzeugrennen wirken, sofern er überholt wird (hierzu auch Nowrousian, NZV 2022, 233, 235).

Siehe auch vertiefend zur rechtsstaatswidrigen Tatprovokation Beukelmann, NJW-Spezial 2018, 568.


Über den Autor

Sebastian Brill ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht in einer bundesweit tätigen Sozietät. Als Fachanwalt für Strafrecht verfügt er über fundierte Kenntnisse und Erfahrungen auf diesem Gebiet, die er in einer Vielzahl von Strafverfahren als Strafverteidiger sammeln konnte. Er hat zudem einige Jahre als Dozent an der Georg-August-Universität in Göttingen auf dem Gebiet des Strafprozessrechts unterrichtet. Zweimal in Folge erhielt Herr Brill hierfür einen Lehrpreis. Zudem läuft an der Johann Wolfgang von Goethe-Universität Frankfurt am Main zur Zeit sein Promotionsverfahren mit einer Arbeit zu einem Thema an der Schnittstelle zwischen Strafrecht und Sport. Herr Brill ist auch Autor mehrerer Veröffentlichungen in juristischen Fachzeitschriften.

-Sebastian Brill — Rechtsanwalt & Dozent für Straf- und Strafverfahrensrecht

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